Es war ein Schock für die etablierten Parteien, als nach der Landtagswahl in Hessen der damalige Ministerpräsident Holger Börner eine Koalition mit den Grünen einging. Die Protestpartei bekam nur einen Minister, der aber war eine Führungsfigur der Bewegung geworden: Joschka Fischer leistete den Amtseid in Turnschuhen ab, auch um einen Wandel anzudeuten.
Dabei kamen hier eigentlich zwei Erzfeinde zusammen: Börner war einer jener Hardliner gewesen, die mit aller Härte gegen die Protestanten an der Startbahn West vorgingen. Börner sah die Grünen als seine politischen Feinde und schloss in mehreren Interviews jede Zusammenarbeit mit ihnen aus. So führte er 1982 lieber geschäftsführend die Regierung weiter, weil seine Mehrheit durch den Einzug der Grünen in den Landtag dahingeschmolzen war. 1983 schließlich wurden die hessischen Verhältnisse beendet und erneut gewählt: auf Druck innerhalb der Partei, aber auch aus der Bundes-SPD, setzte sich die SPD mit den Grünen zusammen.
Die Koalitionsverhandlungen bestanden aus dem sogenannten Doppel-Vierer – jede Partei entsandte vier Vertreter, bei den Grünen stand dem Gremium Joschka Fischer vor, bei der SPD Börner. Was so aufsehenerregend war: Hier standen sich zwei Welten gegenüber. Börner stand für den deutschen Mittelstand, das Kleinbürgertum, den sozialdemokratischen Arbeiter und Angestellten, der das machte, was man immer schon gemacht hat. Die Grünen hingegen wollte die Welt verändern. Sie waren vielfältig, sich selten einig und auch ihr äußeres Erscheinungsbild sprachen klare Worte des Protestes.
Streit um Alkem war das Ende
Die Startbahn West war zu diesem Zeitpunkt bereits im Betrieb, die Grünen hatten deswegen vor allem die Atompolitik im Visier. Am liebsten wollte man alle Atomkraftwerke schließen. Die SPD war mit der Energielobby gut verbunden und wollte möglichst wenig Schaden anrichten. Die Verhandler der Grünen brauchten Erfolge, denn nicht jeder innerhalb der Bewegung wollte regieren. Man einigte sich vor allem auf Absichtserklärungen und Formulierungen, die alle beruhigen sollten.
Joschka Fischer wurde zum Umweltminister und erstem grünen Minister überhaupt ernannt. Zu seinem Aufgabengebiet gehörte auch die Atompolitik. Vor allem die Hanauer Brennelementefabrik Alkem war ihm ein Dorn im Auge. Die Grünen wollten sie schließen, die SPD wehrte sich mit Händen und Füßen. Nach 14 Monaten Koalition hatte Börner genug: er entließ Fischer, die Koalition zerbrach und bei den nachfolgenden Neuwahlen gewann die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Walter Wallmann.
Die Koalition hat zwar Hessen nicht verändert, aber die politische Landschaft geprägt und die Grünen hoffähig gemacht. So war es auch kein Wunder, dass es Joschka Fischer war, der die Partei später in die Bundesregierung führte.